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RMAS: Wie neue Klassen von formbasierten Multi-Agent-Systemen KI-Anwendungen vereinfachen und helfen, komplexe Unternehmensprozesse zu skalieren


Ein KI-Papageien, Bild: Midjourney
KI-Papageien, Bild: Midjourney

Wir hatten alle genug Zeit, mit den neuen Sprach-KIs herumzuspielen. Die erste Euphorie klingt gerade spürbar ab, und wir merken verkatert, dass das angekündigte KI-Schlaraffenland noch immer sehr arbeitsintensiv und anstrengend ist – einfach anders. Mehr noch: Uns wird schmerzlich bewusst, dass es an KI-Systemen fehlt, die sich auch für komplexere Aufgaben eignen, sowie an eleganten Methoden, diese mit vernünftigem finanziellem Aufwand zu bauen. In diesem Artikel möchte ich Ihnen einen neuen Ansatz vorstellen, der auf systemischem Realkonstruktivismus und integrierter Kognition basiert und leistungsstarke, energieschonende KI-Systeme ermöglicht.


Von sprechenden Papageien zu intelligenten Systemen

Was generative Sprach-KIs können, ist verblüffend – auch wenn mich ihre Fähigkeiten stark an einen sprechenden Papageien erinnern, der auch nicht wirklich weiß, was er da gerade nachplappert. Trotz scheinbarer Sprachkompetenz erschließt sich dem Papageien die vielschichtige Bedeutung menschlicher Sprache und Erfahrung zu keinem Zeitpunkt. Für viele einfache Anwendungen, zum Beispiel für Marketing-Aufgaben, reichen die statistischen Mimikri-Fähigkeiten des KI-Papageien jedoch völlig aus. Werden die Aufgaben und damit auch die Anforderungen an generative Sprach-KIs komplexer, ist jedoch Schicht im Schacht. Ohne wirkliches Sprachverständnis und echtes Argumentationsvermögen lassen sich meines Wissens keine komplexen Aufgaben bearbeiten. Das gilt für Menschen und für KIs. In der Hoffnung, diese Defizite irgendwie auszubügeln, entwickeln KI-Forschende und Ingenieure nun weltweit in einem wilden "Winner-takes-it-all"-Wettrennen immer größere und ausgefeiltere KI-Sprachmodelle.

Ohne wirkliches Sprachverständnis und echtes Argumentationsvermögen lassen sich meines Wissens keine komplexen Aufgaben bearbeiten

Was uns die Natur über intelligentes Design lehrt

Ob die Größe des Modells und das Finetuning das Argumentationsdefizit der aktuellen Sprachmodelle (LLM, Large Language Model) beheben werden, bleibt fraglich. Ich zweifle ernsthaft an dieser Strategie. Nicht, weil ich ein promovierter KI-Experte bin, sondern weil ich mich nur umsehen brauche, um sofort eine Ahnung zu bekommen, wie die Natur leistungsfähige Systeme baut. Anstatt ein großes, schwerfälliges System zu haben, nutzt sie in der Regel viele kleine Einheiten, die zusammenarbeiten, um komplexe Aufgaben zu lösen.


Denken Sie an eine einzelne Zelle in Ihrem Körper, die nur kleine Aufgaben erledigen kann, wie das Aufnehmen von Nährstoffen oder das Regulieren des pH-Wertes. Wenn diese Zelle jedoch mit vielen anderen Zellen zusammenarbeitet und Teil eines Organs wie der Leber wird, kann dieses Organ viel kompliziertere Aufgaben bewältigen, wie das Entgiften des Körpers oder das Speichern von Energie. Dies zeigt das Prinzip der Emergenz: Wenn viele einfache Einheiten zusammenarbeiten, entstehen plötzlich neue Fähigkeiten und Eigenschaften, die die einzelnen Einheiten allein nicht haben. Auch Kognition organisiert und skaliert sich auf diese Weise (Michael Levin, 2019, Scale-Free Cognition). Und noch ein weiteres Merkmal weisen solche natürlichen Systeme auf: Sie sind nicht nur leistungsstark, sondern auch extrem energie- und ressourceneffizient – sowohl im Aufbau als auch im Betrieb! Wären sie es nicht, würde die Evolution sie relativ schnell ausmustern. 


Einzeller
Einzeller, Bild: Midjourney

Zugegeben: Die KI-Forschung hat sich bereits viel von der Natur abgeschaut. Künstliche neuronale Netzwerke führten zum Beispiel erst zum Durchbruch der Technologie und ermöglichten die verblüffenden Fähigkeiten der aktuellen LLMs. Anstatt jedoch immer größere LLMs zu bauen – also bildlich gesprochen eine einzelne Zelle auf die Größe eines Organs aufzublasen – empfehle ich eine elegantere Strategie: die Bündelung kleiner kognitiver Subsysteme, die wir Agenten nennen, zu immer größeren, leistungsstarken Kognitionssystemen, kurz Multi-Agent-Systemen (MAS).

Drei kritische Aspekte möchte ich für funktionale Multi-Agent-Systeme im Folgenden etwas genauer betrachten:


  1. Die Konfiguration/Architektur eines MAS

  2. Die Organisation des Wissens/der Expertise in einem MAS

  3. Die Organisation der Kommunikation in einem MAS


Klein, aber oho: Multi-Agent-Systeme

Wie der Name schon sagt, besteht ein Multi-Agent-System aus verschiedenen Agenten mit unterschiedlichen Aufgaben, Wissen und Werkzeugen, die zusammen anspruchsvolle Aufgaben bewältigen können.


Ein Beispiel: Stellen Sie sich ein MAS vor, das mir bei englischen Vokabeln im Kontext von Geschäftsverhandlungen hilft. Ein Agent führt das Gespräch, ein anderer analysiert meinen Fortschritt, ein weiterer gibt Empfehlungen, ein anderer vergleicht meine Antworten mit einer Experten-Datenbank und vielleicht überwacht und orchestriert ein weiterer den gesamten Prozess. Kurz gesagt, in einem MAS arbeitet ein ganzes Team von Expert:innen zusammen und findet für mich unsichtbar die beste Lösung. Wer schon einmal mit fortgeschrittenem Prompt Engineering gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es wäre, diese Aufgabe mit einem einzigen Prompt, im Fachjargon 'One-Shot', zu lösen.

Der Vorteil eines Multi-Agent-Systems (MAS) gegenüber einem Single-Agent-System liegt auf der Hand:


  • Reduktion der Komplexität und Spezialisierung: Die Arbeit wird in kleinere, spezialisierte Aufgaben aufgeteilt, was die Komplexität des Systems reduziert.

  • Erhöhte Lösungsintelligenz und Emergenzeffekte: Durch die Zusammenarbeit mehrerer Agenten entstehen neue, intelligente Lösungen.

  • Zuverlässigkeit und Präzision: Mehrere Agenten können dieselbe Aufgabe erledigen, was die Zuverlässigkeit und Genauigkeit erhöht.

  • Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit: MAS können leicht durch Hinzufügen neuer Agenten erweitert werden, ohne das gesamte System zu verändern.

  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: MAS können flexibel auf veränderte Anforderungen oder Umgebungen reagieren, da die Agenten unabhängig arbeiten und sich anpassen.

  • Fehlerresistenz und Redundanz: Durch die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Agenten kann das System besser mit Fehlern umgehen. Fällt ein Agent aus, übernehmen andere seine Aufgaben.

  • Parallelverarbeitung und Schnelligkeit: MAS können Aufgaben parallel bearbeiten, was die Verarbeitungsgeschwindigkeit erhöht.

  • Spezialisierung und Fachexpertise: Jeder Agent kann auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert sein, was die Effizienz und Qualität der Prozesse verbessert.

  • Autonomie und Entscheidungsfindung: Agenten können autonom Entscheidungen treffen und Aktionen ausführen, was die Notwendigkeit ständiger menschlicher Überwachung reduziert.

  • Interdisziplinarität und Wissenstransfer: MAS ermöglichen die Integration von Wissen und Fähigkeiten aus verschiedenen Disziplinen, was zu umfassenderen und fundierteren Lösungen führt.


Die “richtige” Architektur für Multi-Agent-Systeme

Die Architektur eines Multi-Agent-Systems richtet sich nach der erwünschten Funktionalität. Eine flache Architektur eignet sich besser für Ideenfindung und Kreativprozesse, während eine vertikale Hierarchie in der Regel eher für schnelle Entscheidungsprozesse geeignet ist (siehe Abbildung 1). Zur Architektur solcher Systeme und den Vorteilen und Nachteilen gibt es bereits eine Vielzahl interessanter Studien.


Abbildung Konfiguration/Architektur
Abbildung 1: Konfiguration/Architektur

Die Frage, ob eine flache, horizontale Hierarchie, in der die Agenten auf Augenhöhe miteinander "reden", oder eine vertikale Hierarchie mit klar definierten Ebenen besser ist, lässt sich nicht pauschal beantworten.

Organisationsentwickler:innen dürften das Konzept einer Multi-Agent-Architektur schneller verstehen und funktionale Lösungen finden als andere Expert:innen. Im Grunde handelt es sich hier um die Nachbildung einer Organisationsstruktur, bis hinunter auf die Ebene einzelner Teams.


Wie Expertise in MAS organisiert wird

Nach der Wahl der Architektur stellt sich die Frage nach der Zusammensetzung des Teams, um in einem bestimmten Kontext Aufgaben zu lösen und definierte Ziele zu erreichen. Ein bewährter Ansatz wäre, das Team mit unterschiedlichen Agenten mit der jeweils richtigen Expertise zu besetzen, also einen inhaltlichen Fokus bei der Auswahl zu haben. Beim Prompt Engineering für KIs geschieht dies unter anderem durch eine Rollenzuweisung: "Sei ein Experte für XY und hilf mir, Aufgabe Z zu lösen!"

Ein Sprachmodell wie GPT-4 kann per Definition nur eine Rolle gleichzeitig übernehmen und verarbeiten.

An diesem Punkt kommen dann auch spezialisierte Wissensdatenbanken, sogenannte RAGs (Retrieval-Augmented Generation), ins Spiel. Diese erweitern die Expertise der Agenten und machen die Ergebnisse zuverlässiger. Auf RAGs werde ich in einem anderen Artikel noch näher eingehen.


Diese inhaltliche Rollenzuweisungen funktionieren in Multi-Agent-Systemen gut. In Single-Agent-Systemen hat diese Vorgehensweise jedoch deutliche Einschränkungen. Ein Sprachmodell wie GPT-4 kann per Definition nur eine Rolle gleichzeitig übernehmen und verarbeiten.


Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Person, die in einem Restaurant gleichzeitig der Koch, der Kellner und der Kassierer sein soll. Diese Person muss ständig zwischen den Aufgaben wechseln und es ist leicht, Fehler zu machen oder den Überblick zu verlieren. In einem Multi-Agent-System hingegen haben Sie für jede Aufgabe eine spezialisierte Person: einen Koch, einen Kellner und einen Kassierer. Jeder kann sich auf seine Aufgabe konzentrieren und das Restaurant läuft viel reibungsloser.


One-Man-Show, Bild: Midjourney
One-Man-Show, Bild: Midjourney

Zurück zu unserem Multi-Agent-Team. Angenommen, wir haben es erfolgreich mit den richtigen Rollen besetzt und sind bereit, loszulegen. Gespannt drücken wir die Enter-Taste und stellen nach kurzer Zeit fest, dass unsere Agenten trotz klar definierter Hierarchie und geballter Expertise (Rollenzuweisung, Wissensdatenbanken, Tools etc.) kaum brauchbare Ergebnisse produzieren. Entweder verfallen sie in den Austausch von Nettigkeiten (die meisten Modelle wurden von den Ingenieuren leider bereits auf nett und hilfreich vorkonditioniert) oder sie verschrauben sich in endlose Iterationen, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Was läuft da schief?

... die Dysfunktionalität des Teams liegt nicht an der Expertise der Teammitglieder (Inhalt), sondern eher an der Organisationsarchitektur und der Art und Weise (Form), wie diese in der neuen Konfiguration miteinander interagieren und kommunizieren

Um der Ursache besser auf die Spur zu kommen, denken Sie kurz an ein Team brillanter Expert:innen. Dieses bisher leistungsstarke Team wird nach einer Umstrukturierung in eine neue Linienführung mit einer neuen Chefin integriert. Bereits nach kurzer Zeit stellt das Management fest, dass die Einheit völlig dysfunktional geworden ist. Schnell wird die neue Linienführung und/oder die Chefin für dieses Versagen verantwortlich gemacht. Denn die Dysfunktionalität des Teams liegt nicht an der Expertise der Teammitglieder (Inhalt), sondern eher an der Organisationsarchitektur und der Art und Weise (Form), wie diese in der neuen Konfiguration miteinander interagieren und kommunizieren. Aber warum läuft das nun schief, und wie können wir diese Analyse ohne wenig hilfreiche Pauschalisierungen wie "schlechter Führungsstil!" verpacken?


Form-Kommunikation in MAS: Der Schlüssel zum Erfolg

Das bringt uns zum Thema der "Form" – genauer zur sogenannten KommunikationsFORM, wie sie in der Arbeit der Peyns zum systemischen Realkonstruktivismus beschrieben wird. Ich bitte um etwas Geduld, wenn ich hier das Feld der KI kurz verlasse, um Ihnen in aller gebotenen Kürze die Grundprinzipien von Kommunikation und Form näherzubringen. Ich verspreche Ihnen, dass Sie die erörterten Prinzipien anschließend 1:1 auch auf Multi-Agent-Systeme übertragen können.


Inhalt vs. Form

Anders als bei der Fokussierung auf den Inhalt, zum Beispiel auf die Expertise von einzelnen Agenten/Mitarbeitenden, geht es bei der KommunikationsFORM darum, wie sich Kommunikation in einem System organisiert und sich immer wieder auf sich selbst bezieht – respektive an die vorangegangene Kommunikation anknüpft. Das Ergebnis ist ein holistischer Gesamtblick auf ein Kommunikationssystem, die Muster, welche sich in ihm bilden und auf welche Eigenschaften und Funktionen diese schließen lassen. Bildlich gesprochen entspricht diese systemische Vogelperspektive einer Wetteranimation im Schnelldurchlauf. Sie erkennen plötzlich wiederkehrende Muster und saisonale Wetterphänomene. 


Wetterkarte als Kommunikationssystem, Bild: Midjourney
Wetterkarte als Kommunikationssystem, Bild: Midjourney

Anders als der Blick auf die aktuelle Wetterkarte, der Ihnen “lediglich” den aktuellen Systemzustand zeigt, gewinnen Sie aus einer Animation ungleich viel mehr Informationen. Sie erkennen, wie sich das System Wetter “organisiert” und wie diese (an sich selbst anschließende) Organisation spezifische Muster bildet. Genau diese großräumige Vogelperspektive lässt sich mit grossem Erkenntnisgewinn auch auf Kommunikationssysteme anwenden.


Kadok plant die Zukunft – ein “Was wäre wenn”-Spiel

Steigen Sie also in Gedanken kurz mit mir auf eine geostationäre Position in 36.000 Kilometern Höhe, um ein Kommunikationssystem einmal aus der Perspektive eines Wettersatelliten zu betrachten. Unter uns sehen wir das fiktive Unternehmen Kadok und die Abteilung Strategic Foresight. Die Abteilung hat den Auftrag, unterschiedliche Zukunftsstrategien aus den verfügbaren Signalen und erkennbaren Marktrends abzuleiten. Ziel ist es, in nützlicher Frist erfolgreiche Strategien in einer Zeit großer technologischer Umbrüche zu entwickeln. Das interdisziplinäre Team besteht aus fünf gehorsamen Expert:innen und der Teamleiterin Elisabeth, die für ihren klaren und forschen Führungsstil gleichermaßen geliebt wie gefürchtet wird. Kurz, wir haben es hier der Einfachheit halber mit einer Einheit zu tun, die Anordnungen ausgibt, {!,M,V}, und einer Einheit, die diese ausführt, {V,M,!}. 


Bei den geschweiften Klammern, bspw. {V,M,!} handelt es sich übrigens um die algebraische Notation von KommunikationsFORMen nach Ralf und Gitta Peyn. Der systemische Realkonstruktivismus nach Peynscher Prägung erlaubt es mir, dieses Kommunikationsystem, bestehend aus den FORMen {!,M,V}{V,M,!}, in einem “Was wäre wenn”-Spiel als animierte "Wetterkarte" zu zu emulieren. Grundlage dafür bildet ein Neumanscher zellulärer Automat (siehe Glossar) und insgesamt 6 basale KommunikationsFORMen. Diese basieren übrigens auf einer mehrwertigen, universellen Erkenntnislogik der Kybernetik. Für den Moment genügt es für Sie einfach zu wissen, dass die Sache auf den Schultern von wissenschaftlichen Riesen wie von Neumann, Gödel, Luhmann, Brown, Wolfram, Turing etc. steht.

Die Emulation (Abbildung 2) des Kommunikationssystems zeigt uns folgendes Muster:


Abbildung 2, Monotones Kommunikationssystem
Abbildung 2, Monotones Kommunikationssystem

Die Visualisierung dieses Kommunikationssystems zeigt eine starke Monotonie. Hier wird nichts hinterfragt, sondern strikt nach klaren Vorgaben gearbeitet. Elisabeth sagt, was getan werden soll, und das Team versteht und führt ihre Anweisungen aus. Das Team erwartet klare Ansagen von Elisabeth, damit es weiterarbeiten kann. In Bezug auf Geschwindigkeit ist dieses System funktional. Diese "geradlinige" Geschwindigkeit geht jedoch möglicherweise auf Kosten differenzierter Ergebnisse. Für das gesetzte Ziel der Strategieentwicklung ist dieses Kommunikationssystem als Ganzes gesehen dysfunktional.


Versuchen wir, die Konfiguration des Systems zu erweitern und mehr Diskursmöglichkeiten hineinzubringen. Wir fügen eine zusätzliche KommunikationsFORM, {M,V,!}, in Gestalt eines Kritikers hinzu, nennen wir ihn Paul. Paul sagt immer wieder "Ja, aber!" und bringt Störungen in die Monotonie (siehe Abbildung 3). Insgesamt ist das System etwas funktionaler geworden. Immerhin wird jetzt diskutiert, auch wenn dabei wenig neue Erkenntnisse entstehen.


Abbildung 3:  "Ja, aber!"-Kommunikationssystem
Abbildung 3: "Ja, aber!"-Kommunikationssystem

Wir wagen einen letzten Versuch und fügen eine weitere KommunikationsFORM, {!,V,M}, hinzu, nennen wir sie Sarah. Ein Merkmal dieser Form ist, dass sie viel und ungefiltert mitteilt. Abbildung 4 zeigt, dass wir unser monotone Kommunikations- und Entscheidungssystem in eines überführen konnten, in dem Silokrativität der vorherrschende Systemzustand ist. Klare "Leitlinien" lassen sich erkennen, innerhalb derer sich das Team über Lösungen unterhält und neue Ansätze entwickelt. Die Kommunikations- und Entscheidungsarchitektur der Abteilung Strategic Foresight ist nun, gemessen an der Zielvorgabe, endlich funktional. Die vollständige algebraische "Formel" für dieses System lautet: {!,M,V}{V,M,!}{M,V,!}{!,V,M}.


Abbildung 4, Kommunikationssystem "Silokreativität"
Abbildung 4, Kommunikationssystem "Silokreativität"

Auch wenn die Berechnung von Systemzuständen für Sie noch kompliziert erscheint, erkennen Sie vielleicht bereits den enormen Wert dieser Methode. Ich kann auf dem Reißbrett die ideale Architektur eines Kommunikations- und Entscheidungssystems entwerfen und emulieren, ob es für meine Zwecke funktional ist. Das gilt sowohl für echte als auch für virtuelle Teams, wie die Abteilung Strategic Foresight oder ein KI-basiertes Multi-Agent-System (MAS). Bei einem MAS kreiere ich einfach virtuelle Agenten mit den passenden KommunikationsFORMen, statte sie mit einem Auftrag (Prompt) und entsprechendem Wissen (RAG) aus, und schon kann es losgehen. Aus dem MAS wird ein RMAS, ein Realkonstruktivistisches Multi-Agent-System.

Wenn Sie beruflich Kommunikations- und Entscheidungssysteme entwerfen, sei es in der Organisationsentwicklung oder im Bereich der KI, ist die skizzierte Methode ein Quantensprung in Bezug auf Präzision, Qualität und Kosteneffizienz.


Von instabilen zu leistungsfähigen RMAS: Ein Praxisbeispiel

Gehen wir in die Praxis. In Abbildung 4 habe ich die Architektur eines RMAS für einen Dienstleister im Bereich der Kreislaufwirtschaft skizziert. Ziel dieses RMAS ist es, KMUs zu unterstützen, ihre linearen Geschäftsmodelle zu analysieren und mithilfe von KI und Wissensdatenbanken maßgeschneiderte Lösungen für Kreislaufmodelle zu entwickeln. Das RMAS soll menschliche Expert:innen nicht ersetzen, sondern als niederschwelliger 24/7-Touchpoint erste Anfragen beantworten und qualifizierte Leads für Beratungsgespräche mit menschlichen Expert:innen generieren.

Die in der Abbildung vorgestellte RMAS-Architektur beinhaltet unter anderem folgende Agenten, die über die sechs bereits erwähnten Kommunikationsformen präzise organisiert und orchestriert werden:


  • Dialog-Agent

  • Analyse-Agent Stimmung

  • Agent-Business Modelling

  • Target-Agent

  • Planning-Agent

  • Lead-Agent

  • Research-Agenten

  • Tool-Agenten

  • etc.


Abbildung 5: RMAS Kreislaufwirtschaft, © Patrick Castellani (2024)
Abbildung 5: RMAS Kreislaufwirtschaft, © Patrick Castellani (2024)

Die Agenten sind in Subgruppen mit unterschiedlichen Topologien organisiert. Das kommunikative Zusammenspiel der Subgruppen, aber auch des Gesamtsystems, lässt sich – wie bereits demonstriert – emulieren und prüfen (siehe Abbildung 6). Dies ist ein entscheidender Vorteil im Vergleich zu bisherigen Methoden und dem oft stundenlangen Basteln an immer instabileren Prompts.


Abbildung 6: Formlines RMAS Kreislaufwirtschaft, © Patrick Castellani (2024)
Abbildung 6: Formlines RMAS Kreislaufwirtschaft, © Patrick Castellani (2024)

Ob in diesem RMAS nun neue Kreislaufmodelle oder Kuchenrezepte mit dem Nutzer entwickelt werden, spielt an sich keine Rolle. Wichtig ist nur, dass ich als Architekt mit realkonstruktivistischen Formen ein funktionales System mit minimalsten Entwicklungskosten zusammenstellen, testen und einsetzen kann – unabhängig vom Inhalt.

Erste Versuche mit Kunden zeigen extrem vielversprechende Ergebnisse. Im Fall des RMAS im Bereich Kreislaufwirtschaft bietet es eine funktionale Brainstorming-Umgebung für KMUs, dargestellt durch die wiederkehrenden grünen Dreiecke. Mehr Forschung und Tests sind jedoch nötig. Wir stehen erst am Anfang dessen, wie sich Kommunikationssysteme funktional organisieren lassen.

Mit RMAS können auch kleinere Open-Source-LLMs zu leistungsfähigen und effizienten Systemen erweitert werden

Ich bin sehr gespannt, wohin die Entwicklung der großen Sprachmodelle in den nächsten Monaten gehen wird. Es scheint klar, dass wir kaum um MAS oder RMAS herumkommen werden – allein schon aus Kosten- und Effizienzgründen. RMAS ermöglichen uns möglicherweise auch, eine gewisse Autonomie gegenüber den großen KI-Entwicklern zurückzugewinnen. Mit RMAS können auch kleinere Open-Source-LLMs zu leistungsfähigen und effizienten Systemen erweitert werden. Mehr Infos und Benchmarks zu diesem Thema finden Sie in diesem spannenden Artikel von Andrew Ng (2024), Agentic Design Patterns.


Noch einmal die Vorteile von RMAS auf einen Blick:


  • Automatisierung komplexer Aufgaben: RMAS können komplexe Aufgaben und Prozesse im Betrieb automatisieren, was zu erheblicher Zeit- und Kostenersparnis führt.

  • Wertschöpfung steigern: Durch effizientere Prozesse und optimierte Abläufe wird die Wertschöpfung im Unternehmen erhöht.

  • Leistungssteigerung: RMAS können die Performance eines Unternehmens durch präzisere und schnellere Entscheidungsfindung verbessern.

  • Skalierbarkeit: RMAS ermöglichen es, Prozesse und Geschäftsmodelle flexibel und effizient zu skalieren.

  • Risikominimierung: Durch die Redundanz und Zuverlässigkeit von RMAS werden menschliche Fehler und Schwankungen minimiert.

  • Kosteneffizienz: Der Einsatz von RMAS ist kosteneffizienter im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, insbesondere bei der Verwendung kleinerer, Open-Source-Modelle.

  • Flexibilität: RMAS können leicht an unterschiedliche Anforderungen und Umgebungen angepasst werden.

  • Innovationsförderung: RMAS schaffen Denkräume und fördern kreative Lösungen durch strukturierte und koordinierte Zusammenarbeit.

  • Autonomie: Unternehmen können eine gewisse Autonomie gegenüber großen KI-Entwicklern zurückgewinnen und eigene maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.


Mögliche Anwendungsgebiete von RMAS:


  • Autonome 24/7 Touchpoints: RMAS können kontinuierlich für Kunden- und Mitarbeiterinteraktionen genutzt werden, ohne menschliches Eingreifen.

  • Experten- und Copilot-Systeme: Unterstützung bei der Bearbeitung komplexer Aufgaben durch spezialisierte Agenten, die Expertise und Empfehlungen bieten.

  • Dialog-Bots: Einsatz von RMAS zur Generierung qualifizierter Leads und Verbesserung der Kundenkommunikation.

  • Prozessautomatisierung: Automatisierung von wiederkehrenden und komplexen Prozessen, die manuelle Eingriffe erfordern.

  • Kreativ- und Innovationsprozesse: Förderung von kreativen Ideen und Innovationen durch strukturierte Brainstorming- und Denkprozesse.

  • Risikomanagement: Proaktive Identifikation und Minimierung von Risiken durch kontinuierliche Überwachung und Analyse.

  • Bildungs- und Trainingssysteme: Erstellung adaptiver Lern- und Trainingsprogramme, die auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten sind.

  • Produktentwicklung: Unterstützung bei der Entwicklung neuer Produkte durch koordinierte Zusammenarbeit und effiziente Ressourcennutzung.

  • Forschung und Entwicklung: Beschleunigung von Forschungsprozessen durch strukturierte Datenanalyse und Wissensmanagement.


Fazit: Die Zukunft der KI liegt in RMAS

Die Natur zeigt uns eindrücklich, wie einfache Systeme im Verbund intelligenter werden und anspruchsvollere Aufgaben lösen. Die Grundlagenforschung der Peyns ist für mich vergleichbar mit dem "Stein der Weisen", einer mythischen Substanz, mit deren Hilfe die alten Alchemisten in den Köpfen der Leichtgläubigen Blei in Gold verwandelten. Anders als in der Alchemie bietet der systemische Realkonstruktivismus jedoch eine moderne, empirische Grundlage, um leistungsfähige RMAS für verschiedenste Aufgaben und Herausforderungen zu schaffen – ohne Taschenspielertricks, esoterische Prompts und immer größere Modelle mit immer mehr Energiebedarf.


Bis bald – mit hoffentlich mehr konkreten Anwendungsbeispielen!

Patrick Castellani



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